Künstler Verena Schmidt

Verena Schmidt


Die Künstlerin wuchs in Berlin und Wiesbaden auf und studierte 2008-2013 an der Universität der Bildenden Künste (Berlin). 2014 schloss sie als Meisterschülerin bei Pia Fries ab. Neben einem Studienaufenthalt in Vancouver (Emily Carr University) hat sie an zahlreiche Residenzen und Symposien unter anderem in Italien, Norwegen, Schweden, Südkorea teilgenommen. Bereits 2011 stellte sie in der German-Japanese Contemporary Art Exhibition in Tokio im Rahmen einer Gruppenausstellung aus. Bei weiteren Einzel- und Gruppenausstellung unter anderem an der Leipziger Baumwollspinnerei (Leipzig), im Georg Kolbe Museum (Berlin), im Nassauischen Kunstverein (Wiesbaden), im Apartment Neunzehn (Karlsruhe) machte Verena Schmidt immer wieder auf sich aufmerksam.

Seit 2017 lebt und arbeitet Verena Schmidt in Wiesbaden und bezog 2020 im Künstlerverein Walkmühle ihr Atelier.

Die Themen von Verena Schmidt bewegen sich an den Diskursgrenzen der Malerei, Bildhauerei und Intervention. In kollektiven und kollaborativen Projekten mit Künstlerkolleg:innen, Kurator:innen und Kunstwissenschaftler:innen sucht sie stets nach dem Neuen in der Kunst und bewegt mit ihren „Dingen“ die Welt im Kleinen, wie im Großen.

Lea GroszKunstagent:in von Verena Schmidt
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Kunstwerke

Essay


Ein Konzept der "Dinge" in der Welt

Eine Bildhauerin so tradiert und visionär wie der Blick an den Horizont


von Lea Grosz

Verena Schmidt erschafft lebensgroße Skulpturen und Großplastiken aus diversen Materialien und nennt diese Elemente „Dinge“. Die Bildhauerin komponiert ihre „Dinge“ (1) wie eine Dirigentin zu einem stets offenen Gesamtarrangement. Die teils multikomplexen Stücke korrespondieren dabei mit ihrem Umfeld und nehmen Bezug zu ihrem Ort, dem Raum und dem gegebenen Kontext. Es ist ein spielerischer Prozess, ob und wo eine Marmorskulptur, ein durchlöcherter Alabaster, eine Wachsplastik, geschnittene Schaumstoffklötze, geknautschte Styroporelemente, glasierte Keramiken, bunte Seifengüsse, gummierter Bauschaum in die Gesamtkomposition aufgenommen werden. Die Installationen Verena Schmidts „Dinge“ versetzen den Raum in Vibration und verstören mitunter die Betrachter:innen.

Verena Schmidt sagt: „Jeder Stein braucht seinen Raum und nimmt Raum ein. Man muss sich also gut überlegen, ob man ihn seinem ursprünglichen Kontext entzieht und ihn in einer Installation einen neuen Bedeutungsraum einnehmen lässt.“ Verena Schmidt lässt jedes „Ding“ bewusst seine Wirkung entfalten. Durch die Überlagerungen von Wirkungsräumen und die daraus resultierenden Rhythmen der „Dinge“ werde die Installationen zu virtuosen Raummalereien. Sie können den Betrachter auf Abstand halten, in Unruhe versetzen, provozieren, einladen, anlächeln, verunsichern und ergreifen. Die Verrätselung der Werkdeutung liegt in der Korrespondenz der Materialien miteinander. Denn nicht selten überlagern, übertönen, überschreiben und überschreien sich dabei die „Dinge“ in ihrer Zusammenschau und werten auf diese Weise ihre Bedeutungen und Wirkungen in Bezug aufeinander um.

Zur Theateraufführung des Berliner Didimos-Ensembles, 2021, Wiesbaden, die unter Coronabedingungen stattfinden musste, verschafften sich die „Dinge“ von Verena Schmidt ihren Raum. Mit appetitlichen Formen, knalligen Farben und essbaren Früchten lockten die Installationen auf Stühlen, dem Boden und vor Wänden den Blick des Betrachters an. Mit spitzen Stacheln, fragiler Hochstapelei und aufgeblähter Materie hielten sie wiederum die Besucher:innen untereinander auf Abstand. Die Verortung zwischen den Sitzplätzen und die Freiflächen innerhalb der Installationen luden aber auch dazu ein, dass die Besucher:innen Taschen, Gläser und Garderobe den Installationen spielerisch und interaktiv hinzufügten ohne dass sie sich ihrem Eingriff in die Kunst und die damit zusammenhängende kompositorische Um-Ordnung zwangsläufig gewahr wurden. Der installative Charakter der „Dinge“ gewinnt auf diese Weise an natürlicher Dynamik und macht die zunächst statischen Arrangements Verena Schmidts zur interaktiven Plastik.

Verena Schmidts Arbeiten nehmen immer Bezug zu dem Ort und treten in direkte Korrespondenz mit ihm, nicht selten wird der Raum durch ihre Arbeiten neu bewertet, umgedeutet oder enthaltene Systeme hinterfragt. Das Oeuvre Verena Schmidts ist ortsspezifisch und einer anhaltenden Um-Ordnung und einem permanenten Wandel unterworfen. Die Eruptionen des Lebens, der Welt, der politischen Öffentlichkeit und des privaten Lebens schlagen sich als geologische Spuren in ihren Arbeiten nieder.

Verena Schmidt täuscht immer wieder Werkstoffe vor. Die Bildhauerin entdeckt von der Natur und dem Menschen eigenartig gestaltete Fundstücke und belässt sie in ihrer Beschaffenheit oder bearbeitet Werkstoffe so als wären sie dem Schoss der Natur entsprungen. Sie verdreht auf diese Weise Bedeutungsebenen und befragt Materialwerte.

Im Werk Es könnte eine Büste sein wird ein hochwertiger, bearbeiteter und fragiler Alabaster zum Träger eines profanen, gefundenen Lavasteins. Der durch eine grün-leuchtende Acrylschicht leicht wirkende, aber massive Lavastein zieht auf diese Weise den Blick auf sich. Er wird zum thronenden Fundstück auf dem edlen Werkstoff, Alabaster, der wiederum eigentlich für das Anfertigen von teuren Büsten verwendet wird.

Aber auch in der Imitation von Stofflichkeiten liegen Bedeutungsdimension der Arbeiten.

In Mockingstone aus der Serie Sushi-Variationen thront ein bearbeiteter, amorpher Alabaster auf einem grauen Schein-Kiesel, der wiederum aus bemaltem Pappmaché besteht. Hier eröffnet erst die Berührung und die damit verbundene haptische Erfahrung oder das Lesen der Werkinformationen eine Neubewertung des Materials. Die Kluft zwischen Haptik und der stofflichen Erscheinung also die Diskrepanz zwischen dem spezifischen und optischen Gewicht irritiert die Sehgewohnheiten, die Erfahrungen. Die Scheinmaterialien führen den Betrachter auf falsche Fährten. Damit verschwimmen auch die sichtbaren Grenzen zwischen dem bildhauerischen Schaffensprozess, der immer ein Kraftakt ist und dem Collagieren von Objektarrangements und Installationen, die vor allem kompositorische Überlegungen einschließt.

Nicht selten lassen sich die Objekte einer Installation bewegen oder leben sogar, sodass ein Kunstwerk mehr ist als ein bloßes Objekt der ästhetischen Anschauung. Manche Objekte können sich bewusst durch das Umarrangieren oder durch das Verstreichenlassen von Zeit verändert repräsentieren. „Dinge“ wie Tüten oder Keramiken können zum Teil umarrangiert werden. Seifengüsse können Staub an der Oberfläche binden, bemooste Steine atmen und filtern aktiv Feinstaub aus der Luft. Teile der Arbeiten Verena Schmidts brauchen daher besondere Aufmerksamkeit, Fürsorge und Pflege:

Golden Peel besteht beispielsweise aus einem bemoosten Lavastein, auf dem sich wiederum eine glasierte Keramik präsentiert. Durch das regelmäßige Bestäuben mit Wasser behält das Moos seine grüne, lebendige Farbe und bettet die bronzeglänzende Keramik kontrastreich. Lässt man das Moos vertrocknen, leuchtet lediglich die künstlich aufgetragene Acryloberfläche des Steins grünlich. Das graubraunverfärbte Moos würde nicht mehr in Kontrast mit der Keramik stehen und mit dieser optisch verschmelzen.

Die Arrangements Verena Schmidts bestehen aus objets trouvés (2) entfremdeten Alltagsmaterialien, fein herausgearbeiteten Skulpturen geologischen Ursprungs, gegossenen und geformten Plastiken verschiedenster Werkstoffe. Hierdurch gelingt der Künstlerin die thematische Verflechtung der profanen Alltäglichkeit des Menschen mit seinem kulturellen Wesen. Die Künstlerin hebt Alltagsgegenstände aus dem grauen Staub der Bedeutungslosigkeit und lässt Störelemente und Feindbilder der alltäglichen Gesten in neuem Glanz erstrahlen. Die Unordnung fragt nach einer möglichen und universellen Um-Ordnung. Die glänzende Welt der Kunst zerfällt in eine nebulöse Wolke der Scheinwelt und gebiert sich im Tanz der neuarrangierten „Dinge“ des Alltags zu einem Monumentalobjekt, dass die Kunstgeschichte stets im Rückspiegel reflektiert. Wer den Versucht unternimmt, Verena Schmidt historisch einzuordnen, wird humorvoll an Grenzen verwiesen.

Beispielsweise Vom Stuhl zeigt eine kopfförmige Alabastaskulptur, die neben einem liegenden Friseurstuhl positioniert ist. Die Installation weckt einerseits die Assoziation an eine, vom Sockel gefallene Skulptur sowie erinnert sie andererseits an Marcel Duchamps Readymades. Allerdings scheint sich die Installation beide Einordnungsversuchen mit dem gegebenen Titel humorvoll zu entziehen. Der Titel „Vom Stuhl“ wirft die Skulptur von ihrem Sockel und schüttelt die einfache Zuschreibung des Readymade ab. Verena Schmidts Arbeiten begegnen den zeitgenössischen Diskursen entlang den Schnittstellen von Bildhauerei, Malerei, Installation und Interventionen.


Die Künstlerin denkt Kunst universell und monumental sowie mit allen Einzelteilen. Sie fordert die Betrachter:innen jeglicher Generationen bewusst zu einem immer neuen Blick auf die Welt auf. Sie provoziert zu einer Neubewertung von Alltag, Unordnung, Kunst und Erhabenem und schafft Werke, die traditionsreflektierend und zukunftsweisend sind. Damit sind ihre Werke wie der Blick an den Horizont, der immer schon aktuell war und mit jedem Schritt stetig weiterwandert.


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1 Verena Schmidt bezeichnet ihre Plastiken, Skulpturen und Objekte aus lasierter Keramik, durchlöchertem Alabaster, gegossener Seife, geschweißtem Metall, gehauenem Marmor, die sie zu multimedialen Installationen zusammenfügt, als „Dinge“.


2 Als objet trouvé versteht man einen Gegenstand, der aus dem Alltag entlehnt wird und zu Kunst erklärt wird.

ato Ausstellungen von Verena Schmidt


Werkstattpalast (13. August - 15. Oktober 2022)

Vita

Künstlerischer Werdegang

Seit 2014

Freischaffende Künstlerin

2018

Elternzeit

2014

Gastdozentin für Bildhauerei an der Alanus Hochschule in Alfter

2009-2013

Tutorin für Steinbildhauerei bei Yoshimi Hashimoto an der UdK-Berlin

Ausbildung

2013-2014

Meisterschülerabschluss bei Pia Fries | Universität der Künste | Berlin 

2008-2013

Studium der Bildenden Kunst | Universität der Künste | Berlin (Absolventin)

2011-2012

Austauschsemester | Emily Carr University | Vancouver (CAN)

2003-2008

Studium der Evangelische Theologie und nicht-christlichen Religionen (BA) | FU-Berlin

2005

Dreimonatiger Studienaufenthalt | Universität Damaskus (SYR)

2001-2003

Abitur an der Kurt-Schwitters-Oberschule | Berlin

Preise, Residenzen und Stipendien

Seit 2020

Atelier in der Walkmühle | Wiesbaden

2019

Residenzstipendium am Künstlergut Prösitz

2015-2016

a room that… | Atelier- und Ausstellungsstipendium | Spinnerei Leipzig

2015

Dreimonatige Künstlerresidenz | Gachang Art Studio | Daegu (KOR)

2014

Meisterschülerpreis des Präsidenten der UDK Berlin

2013

Preis der Ursula-Hanke-Förster Stiftung

2012

Preis der Helmut-Thoma Stiftung

2011

Promos/DAAD Stipendium | Makoto Fujiwara | Larvik (NOR)

2010

LegA´mi, un segno nel parco III | Steinbildhauersymposium | Tivoli (ITA)              

Ausstellungen (Auswahl)

2021

Neues aus dem Garten | Salon und Kurzausstellung | Walkmühle Wiesbaden (Gruppenausstellung)

Wandding | Installation im Rahmen von Poesie im Park - eine Art Festival | Wiesbaden (Kunstfestival)

Ordnung muss sein | Installation im Rahmen von 2050 - Eine Future – Fiction Performance | Walkmühle Wiesbaden (Einzelausstellung)

Vögel, Flieger und Geflüster | Rundweg Kastell Zugmantel | Taunusstein Orlen (Gruppenausstellung)

2020

Die Kunst zu schenken | Walkmühle Wiesbaden (Gruppenausstellung)

Mindestabstand | Kunstmarkt | Naussauischer Kunstverein Wiesbaden (Gruppenausstellung)

Inside out | Rathausgalerie | Grimma (Stipendiaten Ausstellung)

2019

Return of the Westpol | Westpol Airspace | Leipzig (Gruppenausstellung)

Schmidt&Bender (Seit 2019) | Kollaborationsprojekt mit Sonja Bender im Bereich der Skulpturalen Happenings und experimentellen Performances: Sprungturmfestival Darmstadt

Poesie im Park Wiesbaden (2019-2021)

Die Kunst zu schenken | Walkmühle | Wiesbaden

2018

°o ∞O.•(…) | Offenes Atelier, Projekt Kurt | Wiesbaden (Kollaboration)

2016

Apartment Group Show | Apartment_19 | Karlsruhe (Gruppenausstellung)

Klick | Kollaborationsausstellung mit Esther Sibiude | Mindscape Universe | Berlin

Schwingungen | Galerie Bernau | Bernau (Gruppenausstellung)

Warum wir in den Himmel schauen | Westpol Airspace | Westwerk | Leipzig (Gruppenausstellung)

Apartment Neunzehn | im Apartment_19 | Karlsruhe (Einzelausstellung)

Pulse | Haus am Kleistpark | Berlin (Gruppenausstellung)

a room that...what?, a room that… | Spinnerei | Leipzig (Stipendiaten Ausstellung)

2015

Brummagem Farm | Space Gachang | Daegu (KOR) (Einzelausstellung)

2014

Meisterschülerpreis | UdK, Georg-Kolbe-Museum | Berlin (Preisträger)

Berlin Masters | Galerie Arndt | Berlin (Gruppenausstellung)

Meisterschülerpreis des Präsidenten der UdK | Auswahl UdK-Berlin (Gruppenausstellung)

Dummies | Symposium und Ausstellungsprojekt | Modena (ITA) (Gruppenausstellung)

Meisterschülerausstellung | UdK-Berlin (Rauminstallation)

2013

Arresto Momentum | Installation zum Rundgang der UdK-Berlin, ausgezeichnet mit dem Hanke-Förster Preis (Rauminstallation)

Am Wasserloch | Nominiertenauswahl des Regina-Pistor Preises | UdK-Berlin

2012

To prune the foundlings | Stenninge (SWE) (Kollaborationsprojekt)

Rundgang der UdK-Berlin | Auszeichnung mit dem Helmut-Thoma Preis

2011

Endlich mal was Schönes | Galerie Alte Schule Adlershof | Berlin (Gruppenausstellung)

German-Japanese contemporay art exhibition | Ausstellung in der Gallery DEN | Berlin und B-Gallery | Tokio (JAP) (Gruppenausstellung)

Free Piece | Galerie Oqpo | Berlin (Gruppenausstellung)

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