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Keeping up with the Curators: Gossip als legitime Kulturpraxis?

An dieser Stelle gibt es regelmäßig Memes von unserem Lieblings-Art-Meme-Account Freeze Magazine. Kommentiert werden sie von Helena Kühnemann, Autorin und Künstlerin aus Berlin.

Gerade in der Kunst ist die Arbeit im besonderem Maße an das Selbstbild geknüpft. Wie bei einem Kartenhaus zieht Kritik an der Arbeit auch Kritik des Selbstwerts mit sich und führt regelmäßig dazu, dass, metaphorisch gesprochen, der Turm in sich zusammenfällt. Die Kunstszene ist fast so etwas, wie ein geschlossener Kreis, eine Bubble. Obwohl alle immer so tun, als ob sie ganz close miteinander sind, ist es gang und gäbe, hinter dem Rücken der Anderen zu lästern. Die Gemeinschaft verbindet unter anderem eines: Gemeinheit. Menschen aus der Bubble verbringen ihre kostbare Lebenszeit damit, Informationen zu sammeln, um dann übereinander reden zu können. Menschen außerhalb des Kreises nennen das Tratsch. In der Kunst nennt man das Kritik und sieht darin eine Kulturpraxis. Im Mittelalter war der Begriff „Gossip“ noch mit dem Wort „Freund“ gleichzusetzen. Es handelt sich dabei um eine immaterielle, unsichtbare Kommunikationspraxis, die sich auch immer als eine Art Gegennarrativ zum Mainstream verhalten will.
Erst seit der Neuzeit kam die abwertende Konnotation dazu. Das Absurde ist doch, dass die negative Assoziation von Gossip vor allem im Kontext von FLINTA* Personen gelesen wird. Im Aufwachsen lernt man, dass von ‚Keeping Up With …‘ bis zu den ‚Desperate Housewives‘ die Protagonist*innen des „Tratschens“ weiblich gelesen sind.
Dabei ist die Abwertung des Begriffs auch eine Untergrabung von gemeinschaftlich geschaffenen Infrastrukturen. Gerade Subkulturen haben sich dieses ‚Counter-Narrativ‘ als eine Art emanzipatorisches Element geschaffen, um Systeme in Frage zu stellen, in denen sich sichtbare Ordnungen manifestiert haben. Ja, Gossip schafft sogar Gemeinschaft, die das Potential hat, diese bestehenden Systeme zu unterwandern. Im digitalen Zeitalter ist der Gossip, gelegentlich als Shitstorm auftretend, ein wichtiges, gesellschaftliches Tool der Kritik und des Hinterfragens von Öffentlichkeit geworden. Dennoch muss man zwischen der erfragten Meinung und dem unwiderstehlichen Drang der Bubble unterscheiden, die eigenen Meinungen sprichwörtlich aus sich heraus platzen zu lassen. Denn ein Satz, der nach dem Komma mit einem „aber“ beginnt, kann wohl nichts Gutes wollen. Oder?

Mehr witzige Kunst-Memes von Cem A. auf @freeze_magazine.