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Never Clever – Ein Interview mit dem Maler Robin Rapp

Robin Rapp ist Maler. Er hat an den Kunsthochschulen in Kassel und Berlin-Weißensee gelernt und seine farbenfrohen Gemälde in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen gezeigt. Der Autor Jan Koslowski hat Robin in Frankfurt zum Gespräch über Heimat, Jugend, Erinnerung und das Autobiographische in ihren Arbeiten getroffen.

Clever wäre es gewesen, dieses Interview, so wie geplant, im Dezember fertig zu tippen! 2022 ist mittlerweile schon vorbei, da war Chanukka und Weihnachten, Silvester, ich bin nach Beirut geflogen, dann das orthodoxe Weihnachtsfest, und nun sitze ich nach etlichen Wochen immer noch in Beirut (Ich liebe Beirut!) und denke an Robin Rapp, an einen eisigen Tag im Dezember 2022, ein verschneites Frankfurt am Main, die Kälte unter unseren Füßen und die Wärme in unseren Worten!

Jan: Ich würde eigentlich gerne wissen, wie du arbeitest. Wie du zum Beispiel deine Sujets findest und wie du sie selber beschreiben würdest. Ohne jetzt über die Inhalte zu reden, wie kommt es zu diesen Szenerien?

Robin: Bei mir gibt es keinen geraden Weg. Ich lege oft erst mal wild drauf los. Es fängt irgendwie wild und wüst mit Acryl an, dann kommt eine Zeichnung drauf, meistens wird sie übermalt, dann nochmal übermalt und irgendwann – es ist ein ganz langer Kampf – gibt es dann vielleicht den Moment, wo ich zufrieden bin. Das Motiv auf der Leinwand wechselt also ständig. Meistens sind es Figuren. Ich versuche es ein wenig autobiographisch zu halten, es soll nicht random werden. 

J:  Wenn du sagst, dass du versuchst, biografisch zu arbeiten, ist das vielleicht auch eine Parallele zu meiner Arbeitspraxis. Wenn ich Sachen in die Welt spucke, dann müssen die auch irgendwie etwas mit meinem Leben zu tun haben.

Auf dem Gemälde von Robin Rapp schaut ein Hund über die Schulter des Besitzers, wobei beide im Flugzeug sitzen
Robin Rapp, tk1726, Öl auf Leinwand, 2021/2022

R: Autobiografisch im Sinne von: keine Glanzszenen aus meinem Leben darstellen, eher eine Gefühlswelt. Das, was ich spüre, eine Sehnsucht, einen Riss, auf der Suche sein, reisen. Wie auf dem Bagdad Bild, der sehnsuchtsvolle Hund im Flugzeug. Da ist auch ein Riss. Der Hund sieht nicht so aus, als hätte er Lust nach Bagdad zu fliegen.

Auch wenn das Unterwegssein, selbst mit anderen, das Spannende ist. Das kommt aus meiner Jugend. Wir sind immer umgezogen, ich war nie lange an einem Ort, immer unterwegs, meine Zeit im Senegal, ich hatte überall neue Freunde, der Abschied.  Das sind die ganzen Risse. Irgendwie bist du nie zu Hause, das ist auch schmerzhaft.

J: Sammelst du etwas, um diese Versatzstücke zusammenzusetzen?

R: Als Vorlagen nehme ich gerne Fotos. Ich frage Freunde, ob sie für mich posieren. Aber oft nehme ich auch Aufnahmen von meiner Mutter, aus den Fotoalben meiner Kindheitstage. Wenn ich sie besuche, schaue ich da rein und nehme ganz viel mit.  Familienfotos und gestellte Bilder, die eine Figur wird in das andere Setting übertragen, die Fotos vermischen sich.

J: So funktionieren Erinnerungen ja auch. Es ist ja nie ein konkretes Bild. Es sind immer verschiedene Sachen, die sich dann auch im Gedächtnis anders zusammensetzen. Spielt Essen in deinen Arbeiten eine Rolle?

R: Essen? 

J: Ja, Nahrung.

R: Ich weiß, worauf du hinaus willst. Diese Selbstbildnisse von mir beim Essen. Ich wollte etwas Zeitgenössisches einbringen, anstatt zu behaupten, Malerei sei grundsätzlich zeitlos. Ein Handy und eine Dönertüte und man weiß sofort, man ist jetzt in Berlin, um die 2000er rum oder so. Nahrungsmittel sind einfach eine ganz clevere Möglichkeit, eine Zeit festzuhalten, wie ich finde.

J: Macht es einen Unterschied, ob man mit Fotos und nicht mit Modellen arbeitet?

R: Die Modelle fotografiere ich ja auch. Ich habe das Foto schnell als Vorlage akzeptiert, also gibt es jetzt keine Modelle mehr. Ich nehme einfach die Referenzfotos und dann, zack, zeichne ich das. Das spart einfach Zeit. Es ist ja trotzdem dieser Moment von “Ich brauche jetzt genau dich, wie du die Hand um den Bauch hältst”. Es geht auch darum, die Momente, die Erinnerung aus dem Kontext zu reißen. Das versuche ich, wenn ich Fotos von meiner Mutter, Großmutter oder Tante nehme, und sie anders zusammensetze, woanders hinstelle. Dabei spiele ich auch mit meinen eigenen Erinnerungen.

J: Man schafft sich dadurch ein bisschen eine eigene Vergangenheit, oder?

R: Man kann es sich damit so zurechtrücken, wie man will, wie man es sich vorstellt, wie man es sich gewünscht hätte.

J: Das ist es, was mir an den Arbeiten so gefällt. Das sind ja oft keine traurigen Momente, die dargestellt sind, aber trotzdem schwingt immer so eine Sentimentalität  oder eine Melancholie mit. Und das beißt sich auch ganz schön mit den Objekten, die zu sehen sind.

R: Ich glaube darum geht es auch in meinen Arbeiten. Es ist ja immer relativ prall und bunt. Fast schon kitschig, poppig.

J: Aber ich finde zum Beispiel die Figur im Schwimmring, die ist sehr alleine in ihrer Popwelt.

R: Ja, aber genau das war das Bild, wo ich mir dachte, dass es funktioniert, diese Gefühle und die Ambivalenz darzustellen. Eigentlich eine nette Szene, aber sie wirkt bedrohlich. Es evoziert ein hartes Thema, gleichzeitig wird es schön bunt gemalt.

J: Darüber wurde auch gesprochen, als wir das Bild bei einer Ausstellung am Plötzensee ausgestellt haben – die Assoziation einer Person auf dem Wasser, die nicht schwimmen kann und nicht weiß ist. Ich finde das gleichermaßen politisch und dekorativ. Ein bisschen wie das Theater, was ich versuche zu machen. Denn das Dekorative kann auch das Bedrohliche sein.

R: Ja, das war krass. Die Arbeit wurde ja in einem Container ausgestellt, provokante Sache. Das fand ich super, das Bild an dem Platz, in dem Container, neben dem See. 

Auf dem farbenfrohen Gemälde von Robin Rapp ist ein farbiger junger Mann zu sehen, der in einem rosa Schwimmring auf einem viel zu klein wirkenden Gewässer schwimmt
Robin Rapp, Ringboy4, 2019, Öl auf Leinwand
Robin Rapps Gemälde in einem Container am Plötze See
Robin Rapps Ringboy4 am Plötzensee, Berlin

J: In der zeitgenössischen Malerei ist es ja eine grundlegende Frage, wie weit man deren Deutung zulässt, wenn man konkret und figürlich arbeitet. Dadurch werden die Arbeiten ja auch angreifbarer.

R: Einer hat mich mal ganz offensiv gefragt: “Was willst du eigentlich mit deiner Malerei?” Ich war erst ganz irritiert und habe mich ertappt gefühlt.  Mir ist dann aufgefallen, dass es vielleicht einfach die falsche Frage ist.  Du kannst von der Malerei nicht grundsätzlich etwas verlangen.

J:  Also nicht, ob das die Welt interessiert, und auch nicht, was das Bild sozusagen mit der Welt macht.

R: Macht das irgendetwas mit der Welt? Wir haben doch gar keine Macht darüber. Ich mache irgendwie ein Bild oder du machst einen Text und wir haben eine Idee, eine Intention, ein Gefühl dabei. Aber sobald das dann in die Welt hinausgeht, macht die Welt damit, was sie will.

J: Glaubst du nicht, dass Dinge darin eingeschrieben sind, die sich dann transportieren?

R: Klar, irgendetwas macht es immer. Ich bin gerade in einer etwas fatalistischen Anti-Haltung. Aber klar, es ist auch wichtig, an die Wirkung zu denken, den Dingen eine Bedeutung zu geben.

J: Deine Arbeiten finde ich offen und ansprechend. Sie verschließen sich nicht. Manchmal bieten sie eine einfache Lösung an, aber dahinter gibt es immer noch die andere Seite. Ich finde sie auf eine sehr einladende Art uneitel. Vielleicht deswegen auch poppig.

R: Das ist schlimm, ja.

J: Finde ich gar nicht! Diese Angst vor einer Begrifflichkeit wie “POP”, das ist doch schade. In deinen Bildern sehe ich eine Weiterführung von der Idee, poppige Elemente mit dem Kanon der klassischen Malerei zu vereinen. Die Idee ist nicht ganz neu, aber ich finde das ziemlich elegant. Auf der Bühne gibt es das gleiche Phänomen, nämlich dass man Angst hat, ein Smartphone zu benutzen oder die Gegenwart durch Objekte zu markieren.

R: Ich finde meine Arbeiten schon plakativ und poppig, aber eben als Methode.

(sprechen kurz über ein Feuerwerk)

R: Das ist für mich ein Mittel, die Schwere leichter darzustellen.

J: Die Schwere leichter darzustellen, das ist doch ein gutes Schlusswort!

Das Gemälde Tanten von Robin Rapp zeigt drei farbige Frauen in sommerlicher Kulisse vor einer steinigen Küste
Robin Rapp, Tanten, 2021/2022, Öl auf Leinwand
Das Gemälde Vitamalz von Robin Rapp zeigt einen jungen farbigen Mann am Tisch sitzend und einen Döner mit Vitamalz zu sich nehmend
Robin Rapp, Vitamalz, 2021/2022, Öl auf Leinwand
Das Gemälde Nordsee von Robin Rapp zeigt einen jungen farbigen Mann, der an einem Tisch sitzend einen Salat isst, im Hintergrund eine Landschaft aus rot-leuchtenden Dünen und einem Vogelschwarm
Robin Rapp, Nordsee, 2021/2022, Öl auf Leinwand
Das Gemälde Kubapizza von Robin Rapp zeigt einen jungen farbigen Mann, womöglich den Künstler selbst, wie er an einem Tisch sitzend eine Smiley-Pizza isst
Robin Rapp, Kubapizza, 2021/2022, Öl auf Leinwand

Mehr über Robin Rapps Kunst gibt es HIER

Jan Koslowski ist Autor, Regisseur und Schauspieler in Berlin und Marseille und hat im Korbinian Verlag die Novella Rabauken veröffentlicht.

Bildrechte: Robin Rapp

*Titel geklaut von Anna Nero