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NFTs als Chance für Museen

Wegen ausbleibender Eintrittsgelder entschieden sich einige Museen in der Pandemie ihre Kunstwerke zu verkaufen. Nicht ohne Kritik, schließlich werden die Werke damit der Öffentlichkeit entzogen. Die Blockchain-Technologie könnte eine Alternative bieten, wie ein Fall aus Italien zeigt.
Futuristische Illustration

Auf Grund ausbleibenden Eintrittsgelder entschieden sich einige Museen in der Pandemie, vereinzelt Kunstwerke zu verkaufen. Nicht ohne Kritik, schließlich werden die Werke damit der Öffentlichkeit entzogen. Die Blockchain-Technologie könnte eine Alternative bieten, wie ein Fall aus Italien zeigt.

Seit dem Frühjahr 2020 bot sich in den Kulturmetropolen immer wieder dasselbe Bild: Zahlreiche Lockdowns ließen die Kulturszene stillstehen, auch die Museen blieben trotz Debatten um die gesellschaftliche Relevanz von Kulturorten lange geschlossen. Die langen Schließungen führten für die Museen zum Teil zu Verlusten in Millionenhöhe auf Grund ausbleibender Eintrittsgelder, welche für die Pflege der Sammlung, aber auch für Neuerwerbungen essentiell sind. 

Damit befinden sie sich in einem Dilemma, denn Werke aus dem Bestand zu verkaufen widerspricht dem Sinn eines Museums, dessen Aufgabe es ist, Kunst der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Organisation der Museumsdirektoren der USA, México und Canada (AAMD) regelt, für welche Zwecke Museen Werke aus ihrem Bestand verkaufen dürfen. Den Institutionen ist es zwar grundsätzlich gestattet, die Erlöse aus Weiterverkäufen und Auktionen in den Erwerb neuer Arbeiten zu investieren, nicht jedoch, um laufende Kosten zu decken. Aufgrund enormer finanzieller Herausforderungen, mit denen die Museen in der Pandemie konfrontiert waren, sah sich die AAMD im Frühjahr 2020 gezwungen, ihr Regelwerk der neuen Realität anzupassen. Drohten Museen bis dato Sanktionen, wenn sie gegen die Verkaufsregeln verstießen, gestattete die Organisation nun bis zum 10. April 2022 auch Weiterverkäufe, die zur Existenzsicherung lanciert werden.

Eines der ersten Museen, welches von dieser Regelung Gebrauch machte, war das Brooklyn Museum. Im Oktober 2020 übergab es dem Auktionshaus Christie’s 12 Werke aus seiner Sammlung, darunter namhafte Künstler*innen wie Cranach, Courbet und Corot. Der Erlös des Werkes „Lucretia“ von Lucas Cranach dem Älteren wurde zunächst auf 1,8 Millionen Dollar geschätzt und mit einer Verkaufssumme von über 5 Millionen Dollar deutlich überstiegen. 

Während der Entschluss der AAMD im Frühjahr 2020 von dem Gedanken geleitet war, Museen durch den Verkauf von Sammlungsbeständen die Möglichkeit zu geben, ihre Existenz zu sichern, sahen einige Museen in der Aufweichung der Regeln ziemlich zügig auch eine andere Chance. So reinvestierten beispielsweise das Baltimore Museum of Art und das San Francisco Museum of Modern Art die Gewinne aus Verkäufen in den Ankauf von Werken explizit weiblicher und BIPoC-Künstler*innen. Das Everson Museum of Art in Syracuse, New York verkündete, sich von einem Gemälde Jackson Pollocks zu Gunsten der Diversifizierung der Sammlung zu trennen

Die Kritik am Verkauf Pollocks Gemäldes ließ nicht lange auf sich warten. Schließlich hatte das Ehepaar Marshall das Werk 1991 mit dem Ziel an das Everson Museum gespendet, dieses für die Öffentlichkeit zu bewahren. Mit der Versteigerung des Gemäldes dürften die Chancen, es für die Öffentlichkeit zu bewahren, gen Null gesunken sein. Hinsichtlich des durch Christie’s bezifferten Wert von satten 18 Millionen Dollar stellte der renommierte Kunstkritiker Christopher Knight in der Los Angeles Times die These auf, dass Pollocks Werk wohl am wahrscheinlichsten im Anschluss in einem Schweizer Steuerfreilager ruhen und nie wieder für die Öffentlichkeit zu sehen sein würde. 

Erik Neil, der Direktor des Chrysler Museum of Art in Norfolk, Virginia, plädiert dafür, dass Museen ihrer Aufgabe nachkommen sollten, Bildungseinrichtungen zu bleiben. „Wenn man ein Gemälde verkaufen will, gibt es viele Arten von Einrichtungen, in denen man das tun kann, und die heißen kommerzielle Galerien“, sagte er in der New York Times.

Sollte die Pandemie in den kommenden Monaten tatsächlich überwunden sein und die Besucher*innenzahlen wieder steigen, so können die Museen hoffen, ihre laufenden Kosten in Zukunft wieder durch Ticketverkäufe zu decken. Dann sollen auch die Verkaufsregularien des AAMD wieder strenger werden. Damit ist aber eine weitere finanzielle Herausforderung noch nicht gelöst: Wie sollen Museen ihrer Verantwortung nachzukommen, die lange versäumte Diversifizierung von Sammlungen voranzutreiben, wenn sie gleichzeitig ihre Sammlungen im öffentlichen Interesse erhalten, aber nicht verkaufen dürfen? 

Hier lohnt ein Blick nach Florenz. Im vergangenen Jahr sorgten die Uffizien und ihr Museumsdirektor Eike Schmidt mit dem Schritt für Aufsehen, von einigen ihrer teuersten Kunstwerke der Sammlung digitale Kopien zu erstellen und diese zum Kauf anzubieten. Auch die Uffizien waren durch das Lockdown-bedingte Ausbleiben von Eintrittsgeldern gezwungen, sich nach alternativen Einnahmequellen umzusehen. In einem ersten Schritt fertigte das Museum gemeinsam mit der italienischen Firma Cinello hochwertige, digitale Scans in Originalgröße an. Um diese für potentielle Käufer*innen relevant zu machen, wurde im Anschluss für jede Kopie ein NFT (non- fungible Token) auf der Blockchain erstellt. Dabei fungiert das NFT für den/die Käufer*in als Echtheitszertifikat und schützt gleichzeitig vor Duplizierung. 

Das digitale Abbild des Michelangelo-Meisterwerks „Doni Tondo“ wurde für 140.000€  an eine 30-jährige Frau aus Rom verkauft, die es laut „Monopol“ ihrem Mann zum 60. Geburtstag schenken wolle. Nicht nur die Uffizien lassen ihre Werke von der Firma Cinello scannen. Auch die Pinacoteca di Brera in Mailand, die Academia in Venedig und weitere italienische Museen zählen zu den Auftraggebern. Mehrere hunderte Objekte soll der digitale Katalog der Firma bald listen. Ein überaus lukratives Geschäft für die Kunstdigitalisierungsspezialisten, die aus den Verkäufen der Uffizien 50 Prozent des Gewinns einbehalten sollen. 

Der Direktor der Uffzien, Eike Schmidt sagte in einem Interview mit dem Handelsblatt: „[…] je mehr Bildkopien wir haben, je weniger orts- und zeitgebunden sie sind, umso leichter sind sie für jeden in irgendeiner Weise zugänglich. Das führt in der Tat zu einer Demokratisierung.“ Mit Schmidts Entscheidung, anstelle der Originale lieber digitale Kopien zu verkaufen, ist eine neue, lukrative Einnahmequelle für Museen geschaffen worden. Zudem bieten die digitalen Kopien eine kluge Antwort auf die Verpflichtung zu nachöffentlicher Zugänglichkeit von Kunstwerken. Sollte sich das System etablieren, könnten Museen die Einnahmequelle auch zur längst notwendigen Diversifizierung ihrer Sammlungen nutzen.