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Meme mit der Beschriftung "when i mistakenly use my art world personality with childhood friends" und einem Foto auf dem sich ein junger Mann mit seinen Handflächen an die Schläfen fasst.

Who are we, when we talk about art?

An dieser Stelle gibt es regelmäßig Memes von unserem Lieblings-Art-Meme-Account Freeze Magazine. Kommentiert werden sie von Helena Kühnemann, Autorin und Künstlerin aus Berlin.

Ein simples Szenario: die Vernissage. Wochenlang arbeitet man auf diesen Tag hin, an dem man seine Arbeiten präsentiert. Im Vorfeld hat man fleißig die Theorien über das Archivieren, den Körper, Metamorphosen oder Ästhetik inhaliert. Im eigenen Kopf macht alles Sinn; die Wahl des Rahmens, der das Bild fasst, die Outfits der Performenden, der Beamer oder der zerbrochene Röhrenmonitor. Das Medium und der Zusammenhang zur Industrialisierung, zum Patriarchat oder zur Identitätsfrage. Der Ausstellungstext steht, die weißen A4-Blätter, auf Pump Minuten vor der Eröffnung gedruckt, liegen sorgsam geordnet andächtig auf dem Sockel neben der Tür. 
Der Raum füllt sich. Alle suchen die Bar und bestaunen das Werk. 
Mit den ehemaligen Kommiliton*innen geht man ins Gespräch, mit den Sammler*innen tritt man in den Austausch. Easy: Die Codes der Kunstwelt lassen sich bedienen, indem man ein bisschen schlau schwafelt und diesen einen Artikel auf e-Flux referiert, den man neulich überflogen hat. Nicht umsonst haben sich die Moleskine-Hefte mit komplexen Mindmaps der eigenen Research-Praxis über die letzten Jahre gefüllt, geschrieben im Sprech der Institutionen. 
Und dann kommt dieser eine Kumpel, sagen wir „Rob (Robert)“, der einen noch von früher kennt. Er nähert sich an, trägt noch immer dieselben Turnschuhe wie damals, keine Acne x Trippen-Kooperation, die man auf Vinted geshoppt hat.

„Hey und worum geht’s bei deiner Performance?“

Dann schaut man sich im Raum um, und ärgert sich, dass sich der Inhalt nicht von selbst über den Raum vermittelt. Man versucht, die Worte, die doch vorher bei den anderen Leuten aus der Kunst-Peer so gut geflext wurden, im Mund zu überarbeiten. Sieben Jahre Kunststudium, zwanzig besuchte Panels und mindestens zwei Suhrkamp Bücher, die man fast bis zur Hälfte durchgelesen hat, später: Nase hoch. 

„Ist doch klar, sprechen die Metamorphosen im Raum nicht zu dir?“

„Jesundheit.“

Die Person schaut einen dabei fragend an, ein leichtes, fast überhebliches Lachen im Mundwinkel. 

„Ihr Künstler*innen. Ist ja alles immer so artsy-fartsy.“ 

Die Komplexität des Erarbeiteten lässt sich nicht im Heimatdialekt vermitteln. Die Artworld-Personality und die Real-Life-Persona sind nicht kongruent. 
Ist man nun selbst der oder die Hochstapler*in, oder ist es die Herkunft, die nicht mitgewachsen ist? Ein leichtes Gefühl des Unbehagens bleibt zurück – von der Bredouille, seine Persönlichkeiten vereinen zu müssen. 
Abends, wenn man nach Hause kommt und sich innerhalb des Rauschs und der Verdrängung alles wieder wie eine gelungene Eröffnung anfühlt, checkt man nochmal kurz sein Social Media. „Rob“ hat ein Like dagelassen. 

Mehr witzige Kunst-Memes von Cem A. auf @freeze_magazine.