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Ein Plädoyer fürs Neinsagen

Junge Kunstschaffende haben bei jeder Anfrage Angst, eine große Chance zu verpassen. Zeit, das Neinsagen wieder zu erlernen, findet unsere Kolumnistin Helena Kühnemann. Lesedauer: 2 min

„Hey, hast du nicht Bock, ein paar deiner Sachen mit auszustellen?“
„Hey, für so eine Publikation suchen wir noch dein Künstlerinnen-Statement…“
  
Man will nicht undankbar sein. Natürlich ist es ehrenwert, wenn Anfragen für Projekte hereinschneien. Eine Ego-Umschmeichelung à la carte. Anerkennung, die einem beweist, dass Leute mit einem arbeiten wollen. Und die Hoffnung auf mehr: Hinter jeder Anfrage versteckt sich eine neue Tür, eine mögliche Chance, die einen weiterbringt. Kontakte, Kontakte, Kontakte. Manchmal ist es Fame, manchmal einfach ehrliches Interesse an der Sache, die einen dazu bringen, immer wieder „Ja“ zu Anfragen zu sagen – obwohl das wage Bauchgefühl und ein sehr realer Terminkalender bereits „Überforderung“ schreien.
  
Es ist schwierig, für sich einzustehen und Projekte abzusagen. Wir sind so sozialisiert, dass Absagen häufig negativ konnotiert sind. Es kann als arrogant, vermessen und wichtigtuerisch gelten, Projekte abzulehnen. Neben der möglichen Enttäuschung oder Verärgerung schließt man sich zum anderen selbst eine Tür, ist man doch meist in der Kunst ein Selbstunternehmen, was zukunftsorientiert arbeiten möchte. Es ist schwierig, auf dieser Grundlage eine Entscheidung zu treffen. Also quält man sich durch die Für und Wider, um am Ende vielen Projekten gleichzeitig zuzusagen, auf die man weder Lust noch Kapazität hat. Bald liegt man dann nächtelang wach, läuft die parallelen Gleise der Projekte ab, To-do-Listen formulierend, bis der Kopf sprichwörtlich vor sich hin raucht.

Stopp.

Wir müssen das Neinsagen wieder lernen. Überarbeitung und Überforderung sind enorme Stressfaktoren für die psychische Gesundheit. Aus der FOMO (Fear of missing out) muss eine JOMO (Joy of missing out) werden. Gezielt Projekte auswählen, in die man investiert, anstatt alles halb und nichts ganz zu machen. Es ist wichtig, auf sich selbst zu achten. Am Ende hat man nichts davon, wenn mit dem (frühen) Erfolg die Ausgebranntheit und die psychische Belastung dazukommen. So wird aus dem Kickstart schnell ein Kickstopp. Im Nein liegt ein Stück weit Selbstermächtigung, und manchmal bewirkt auch ein leerer Platz Wunder.

An dieser Stelle gibt es regelmäßig Memes von unserem Lieblings-Art-Meme-Account Freeze Magazine. Kommentiert werden sie von Helena Kühnemann, Autorin und Künstlerin aus Berlin. Mehr witzige Kunst-Memes von Cem A. findet ihr auf seinem Instagram-Channel @freeze_magazine.